BGH: Vermietender Eigentümer haftet für Räumpflicht auch dann, wenn die WEG einen Räumdienst beauftragt hat

Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein vermietender Wohnungseigentümer auch dann für Schäden eines Mieters durch Glätte auf gemeinschaftlichem Grundstück haftet, wenn die Räum- und Streupflicht von der Eigentümergemeinschaft auf ein Unternehmen übertragen wurde. Die Haftung des Vermieters folgt aus seiner mietvertraglichen Pflicht zur Gewährleistung eines sicheren Zugangs zur Wohnung. Er haftet auch für das Verschulden des beauftragten Winterdienstes als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB).

1. Kernaussage des Urteils

Ein Wohnungseigentümer, der eine Eigentumswohnung vermietet, bleibt seinem Mieter gegenüber vertraglich verpflichtet, den sicheren Zugang zur Mietsache zu gewährleisten. Diese Pflicht umfasst die Räum- und Streupflicht bei Schnee und Eis auch dann, wenn der Eigentümer Teil einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ist und die WEG den Winterdienst an ein Unternehmen delegiert hat.
Das Verschulden dieses beauftragten Unternehmens wird dem Vermieter gemäß § 278 S. 1 Alt. 2 BGB als Erfüllungsgehilfenverschulden zugerechnet. Der Vermieter kann sich nicht mit dem Hinweis entlasten, die WEG oder ein Dienstleister seien zuständig.

2. Tatbestand

Die Klägerin mietete eine Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus. Eigentümerin der Wohnung war die Beklagte, Mitglied einer WEG.
Am 30. Januar 2017 stürzte die Klägerin morgens gegen 7:30 Uhr auf dem Weg vom Hauseingang zur Straße, der sich im Gemeinschaftseigentum befand. Der Weg war vereist, obwohl Glätte vorhergesagt war.
Die Klägerin erlitt schwere Verletzungen und verlangte von der Vermieterin Schmerzensgeld (12.000 €) und Ersatz weiterer Schäden.

Im Mietvertrag war geregelt, dass die Mieterin anteilig Betriebskosten für Schnee- und Eisbeseitigung nach Eigentumsanteilen trägt. Außerdem hieß es, der Mieter müsse Zugangswege reinigen und streuen, „soweit diese Arbeiten nicht anderweitig vorgenommen und die Kosten über die Betriebskostenumlage abgerechnet werden“.
Die WEG hatte bereits 2008 die GmbH (Streithelferin der Beklagten) mit dem Winterdienst beauftragt.

Verfahrensgang:

  • Amtsgericht Wetzlar: gab der Klage teilweise statt (12.000 € Schmerzensgeld).
  • Landgericht Limburg: hob das Urteil auf und wies die Klage ab – Begründung: die Beklagte sei nicht verkehrssicherungspflichtig, sondern die WEG; außerdem habe diese den Winterdienst ordnungsgemäß übertragen.
  • BGH: hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück.

3. Entscheidungsgründe

a) Pflichten des Vermieters

Der Vermieter ist verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu ermöglichen (§ 535 Abs. 1 BGB). Dazu gehört der sichere Zugang zur Wohnung.
Diese Pflicht umfasst auch die Beseitigung von Schnee und Eis auf den Zugangswegen.
Sie gilt unabhängig davon, ob der Vermieter Alleineigentümer oder Mitglied einer WEG ist – denn sie entspringt dem Mietvertrag, nicht den Eigentumsverhältnissen.

Ein Mieter einer Eigentumswohnung darf denselben Schutz erwarten wie der Mieter eines freistehenden Hauses. Unterschiede in der Haftung wären sachlich nicht gerechtfertigt.

b) Keine wirksame Übertragung der Pflicht auf den Mieter

Die Vertragsklausel über die Reinigung der Wege stellt keine eindeutige Übertragung der Räum- und Streupflicht auf den Mieter dar.
Der Mieter muss nur dann selbst tätig werden, wenn diese Arbeiten nicht anderweitig übernommen und über Betriebskosten abgerechnet werden.
Da der Winterdienst hier durch die WEG organisiert und abgerechnet wurde, blieb die Pflicht bei der Vermieterin.
Auch die Umlage der Kosten nach Eigentumsanteilen (§ 556 BGB) ist keine Haftungsübertragung.

c) Zurechnung des Handelns des Winterdienstes

Die Vermieterin durfte zwar den Winterdienst einem Dritten übertragen, bleibt aber vertraglich verantwortlich.
Beauftragt sie ein Unternehmen, so wird dieses zum Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Dessen Versäumnisse werden der Vermieterin wie eigenes Verschulden zugerechnet.

Das unterscheidet sich vom deliktischen Haftungsregime: Im Deliktsrecht (z. B. § 823 BGB) wird nur für eigenes oder Auswahl-/Überwachungsverschulden gehaftet; im Vertragsrecht dagegen besteht eine Zurechnung des Fremdverschuldens.

Der Vermieter profitiert also von der Arbeitsteilung, trägt aber auch das Risiko, wenn der Beauftragte seine Pflichten verletzt. Der Mieter kann sich auf die Erfüllung der mietvertraglichen Schutzpflichten verlassen und muss sich nicht auf Ansprüche gegen die WEG oder deren Dienstleister verweisen lassen.

d) Zur Rolle der Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Eigentumsverhältnisse und Pflichtenverteilungen im WEG-Recht ändern nichts an der mietvertraglichen Verantwortlichkeit.
Das Wohnungseigentumsgesetz regelt die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft, nicht aber das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter.
Selbst wenn die WEG die Räum- und Streupflicht übernimmt, bleibt die vertragliche Schutzpflicht gegenüber dem Mieter beim jeweiligen Vermieter bestehen.

e) Kausalität und Schadenseintritt

Nach dem Vortrag der Klägerin lag am Unfalltag eine erkennbare Glättegefahr vor, die durch rechtzeitiges Streuen hätte beseitigt werden können.
Da die Klägerin auf dem Grundstücksweg stürzte und sich erheblich verletzte, ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden gegeben.
Die Beklagte haftet, sofern kein Entlastungsbeweis nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB gelingt.

f) Abgrenzung zu anderen Haftungsarten

Der BGH betont, dass die mietvertragliche Pflichtverletzung Vorrang vor einer etwaigen deliktischen Haftung hat.
Die Prüfung, ob die Beklagte auch als Miteigentümerin deliktisch haften könnte, erübrigt sich, da bereits eine vertragliche Pflichtverletzung vorliegt.

4. Urteil

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts Limburg auf.
Das Berufungsgericht hatte verkannt, dass die Beklagte als Vermieterin unabhängig von der WEG-Struktur mietvertraglich verpflichtet bleibt, für einen sicheren Zugang zur Wohnung zu sorgen, und für das Verschulden des beauftragten Winterdienstes haftet.

Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung, einschließlich der Kostenfrage, an das Landgericht zurückverwiesen (§§ 562, 563 ZPO).
Das Berufungsgericht muss nun insbesondere klären, ob tatsächlich eine Verletzung der Räum- und Streupflicht vorlag und welche konkreten Schadensfolgen sich daraus ergeben.

Zentrale Bedeutung des Urteils

Das Urteil stärkt die Rechtsposition von Mietern in Wohnungseigentumsanlagen.
Es stellt klar:

  • Vermieter bleiben Vertragspartner und haften aus dem Mietverhältnis, auch wenn sie Pflichten an Dritte oder die WEG weiterreichen.
  • Delegation befreit nicht von Haftung; der Dienstleister ist Erfüllungsgehilfe.
  • Mieter dürfen auf vertragliche Sicherheit vertrauen, ohne zwischen Eigentümergemeinschaft und beauftragten Firmen unterscheiden zu müssen.

Damit schafft der BGH eine wichtige Klarstellung zur Abgrenzung von WEG-Recht und Mietrecht sowie zur Reichweite der Vermieterhaftung bei gemeinschaftlichem Eigentum.

(https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2025&nr=143209&linked=urt&Blank=1&file=dokument.pdf)

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