Der BGH bejaht die Haftung eines Wohnungseigentümers für bauliche Veränderungen seines Mieters am Gemeinschaftseigentum, wenn er diese duldet oder nicht verhindert. Ein Beseitigungsanspruch kann auch dann durchgesetzt werden, wenn theoretisch ein Gestattungsanspruch besteht. Für ältere Eingriffe vor Inkrafttreten des WEMoG kann ein solcher Anspruch dem Beseitigungsverlangen aber entgegenstehen.
1. Kernaussage des Urteils
Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass ein Wohnungseigentümer als mittelbarer Handlungsstörer für rechtswidrige bauliche Veränderungen seines Mieters am Gemeinschaftseigentum haftet, wenn er diese Veränderungen ermöglicht, nicht unterbindet oder trotz erkennbarer Absicht des Mieters keinen Hinweis auf die notwendige Gestattung durch die Eigentümergemeinschaft gibt. Ein später erhobener Anspruch auf Gestattung der Maßnahme (Gestattungsanspruch) kann einem zuvor erhobenen Beseitigungsanspruch nicht entgegengesetzt werden – es sei denn, die Maßnahme fällt unter die alte Rechtslage vor dem WEMoG.
2. Tatbestand
Die Beklagte ist Eigentümerin einer gewerblichen Einheit, die an Betreiber einer Shisha-Bar verpachtet wurde. Im Oktober 2020 rissen die Mieter eine tragende Wand ohne statischen Nachweis ein, was zu Bauschäden führte. In den folgenden Monaten (ab Juli 2021) nahmen die Mieter weitere Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum vor – unter anderem Decken- und Fassadendurchbrüche sowie Einbau einer Lüftungsanlage – erneut ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft.
Trotz Kenntnis der Beklagten über die Maßnahmen unterband sie diese nicht wirksam. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (GdWE) forderte sie mehrfach zur Unterlassung auf und beschloss im Oktober 2021 den Rückbau. Im Juni 2022 klagte die GdWE auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Die Beklagte erhob während des Berufungsverfahrens erstmals eine Klage auf Beschlussersetzung zur nachträglichen Genehmigung der Baumaßnahmen.
3. Entscheidungsgründe
a. Neue Rechtslage (nach WEMoG, ab 1.12.2020)
- Die durch die Mieter ab Juli 2021 vorgenommenen Maßnahmen gelten als bauliche Veränderungen im Sinne des § 20 WEG, da sie über die ordnungsgemäße Erhaltung hinausgehen.
- Für solche Veränderungen ist ein Gestattungsbeschluss erforderlich. Liegt dieser nicht vor, sind die Maßnahmen rechtswidrig.
- Die Beklagte haftet:
- unmittelbar für eigene Eingriffe (z. B. Sanierung einer Wand),
- mittelbar, weil sie die baulichen Eingriffe ihrer Mieter kannte, duldete oder nicht rechtzeitig unterband.
b. Kein Schutz durch späteren Gestattungsanspruch
- Auch wenn die Beklagte möglicherweise Anspruch auf Genehmigung der Maßnahmen gehabt hätte (§ 20 Abs. 3 WEG), kann sie diesen nicht gegen den Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB ins Feld führen.
- Nach neuer Rechtslage ist die vorherige Beschlussfassung zwingend. Wer ohne Genehmigung baut, trägt das Risiko eines späteren Rückbaus.
- Ein sogenannter „dolo-agit“-Einwand (nach dem Grundsatz von Treu und Glauben) ist nicht mehr zulässig – im Gegensatz zur früheren Rechtslage.
c. Prozessuales Vorgehen
- Die Beklagte hätte ihren Gestattungsanspruch im ursprünglichen Verfahren durch Widerklage geltend machen müssen. Das hat sie versäumt.
- Ein später eingeleitetes, getrennt geführtes Beschlussersetzungsverfahren rechtfertigt keine Aussetzung des Berufungsverfahrens.
- Das Berufungsgericht hat zu Recht nicht ausgesetzt, da der Ausgang des späteren Verfahrens für die Entscheidung über den Beseitigungsanspruch nicht vorgreiflich war.
d. Alte Rechtslage (vor 1.12.2020)
- Für die bereits im Oktober 2020 entfernte tragende Wand gilt noch das alte Wohnungseigentumsrecht.
- Nach damaliger Rechtslage konnte ein Beseitigungsanspruch durch einen konkludenten oder hypothetischen Gestattungsanspruch nach § 242 BGB ausgeschlossen sein.
- Die Klägerin konnte den Beseitigungsanspruch aufgrund eines späteren Eigentümerbeschlusses geltend machen.
- Der BGH hält es für möglich, dass hier – angesichts eines zwischenzeitlich vorliegenden Standsicherheitsnachweises – ein solcher Gestattungsanspruch bestand. Dies muss das Berufungsgericht aufklären.
- Daher wird der Teil des Urteils zur Wiederherstellung der tragenden Wand aufgehoben und zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
4. Urteil
- Revision teilweise erfolgreich: Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird insoweit aufgehoben, als es die Beklagte zur Wiederherstellung der 2020 entfernten tragenden Wand verurteilt hat.
- Zurückverweisung: In diesem Punkt muss das Berufungsgericht erneut prüfen, ob die Voraussetzungen eines Beseitigungsanspruchs nach alter Rechtslage erfüllt sind oder ein Gestattungsanspruch entgegensteht.
- Im Übrigen (alle Eingriffe ab Juli 2021): Die Revision wird zurückgewiesen, die Beklagte bleibt zur Beseitigung dieser baulichen Veränderungen verpflichtet.
- Grundsatzentscheidung: Der BGH bestätigt die neue Linie nach dem WEMoG – ohne vorherige Beschlussfassung sind bauliche Veränderungen unzulässig, auch wenn sie im Nachhinein eventuell genehmigungsfähig wären.
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