BGH: Bei Beauftragung von Rechtsanwälten oder Gutachtern muss die WEG (bzw. deren Verwaltung) keine Vergleichsangebote einholen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass Wohnungseigentümer bei der Beauftragung von Rechtsanwälten oder Gutachtern keine Alternativangebote einholen müssen, selbst bei Honorarvereinbarungen. Zudem dürfen Eigentümer nachträglich Maßnahmen des Verwalters genehmigen, wenn diese ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Das Berufungsurteil des LG München I wurde aufgehoben, die Klage der Bauträgerin abgewiesen.

1. Kernaussage des Urteils

Der BGH stellte klar:

  1. Keine Pflicht zu Alternativangeboten: Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts – auch mit Honorarvereinbarung – ist es nicht erforderlich, Vergleichsangebote anderer Kanzleien einzuholen. Dasselbe gilt für Gutachteraufträge.
  2. Nachträgliche Genehmigung durch Eigentümer zulässig: Wohnungseigentümer dürfen eine vom Verwalter ohne Beschluss veranlasste Maßnahme nachträglich genehmigen, wenn die Maßnahme selbst ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.
  3. Abgrenzung zur Verwalterentlastung: Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht automatisch mit einer Entlastung des Verwalters gleichzusetzen.

Der BGH hob damit das Urteil des Landgerichts München I auf und stellte die Entscheidung des Amtsgerichts München wieder her.

2. Tatbestand

Die Klägerin war Bauträgerin und Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE).
Im Jahr 2020 fand keine Eigentümerversammlung statt. Im Frühjahr 2021 – angesichts drohender Verjährung möglicher Ansprüche gegen die Bauträgerin – beauftragte die Verwalterin eigenständig drei Sachverständige zur Begutachtung von Baumängeln am Gemeinschaftseigentum.

  • Ergebnisse:
    • Mängelbeseitigungsaufwand: ca. 469.000 €
    • Gutachterkosten: ca. 50.000 €
    • Zusätzlich: Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei zur rechtlichen Vertretung der GdWE

Diese Maßnahmen erfolgten ohne vorherigen Eigentümerbeschluss.

In der Eigentümerversammlung im Juli 2021 wurden folgende Beschlüsse gefasst:

  • TOP 6: Genehmigung der durch die Verwalterin veranlassten Gutachter- und Anwaltskosten
  • TOP 7d: Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Bauträgerin (Klägerin) einschließlich Erhebung einer Sonderumlage
  • TOP 8: Ermächtigung der Verwaltung zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit Stundensätzen bis 300 € netto (Anwalt) und 150 € (Sekretariat)

Die Klägerin focht diese Beschlüsse an.

  • Amtsgericht München (2022): Klage abgewiesen
  • Landgericht München I (2024): teilweise Aufhebung – Beschlüsse zu TOP 6, 7d und 8 für ungültig erklärt (u.a. wegen fehlender Alternativangebote und angeblich unwirtschaftlicher Kosten)
  • Revision: GdWE legte Revision ein – erfolgreich vor dem BGH.

3. Entscheidungsgründe

a) Zu TOP 7d und 8 – Beauftragung der Rechtsanwälte

Das Berufungsgericht hatte gefordert, dass vor der Beauftragung Alternativangebote anderer Kanzleien einzuholen seien, um Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Der BGH widersprach dem ausdrücklich:

  1. Kein Gebot von Alternativangeboten:
    • Der Zweck von Vergleichsangeboten sei, Preis und Leistung beurteilen zu können.
    • Bei Rechtsanwälten sei dies nicht möglich, weil:
      • gesetzliche Gebühren kaum variieren;
      • Stundenhonorare stark vom tatsächlichen Aufwand abhängen;
      • der Endpreis unvorhersehbar ist (abhängig von Prozessverlauf, Vergleich etc.);
      • Qualität, Fachkompetenz und Vertrauensverhältnis entscheidender sind als der Preis.
        → Daher sei ein Vergleich wirtschaftlich und praktisch nicht sinnvoll.
  2. Rechtmäßigkeit der Vergütung:
    • Stundensatz von 300 € netto für Anwälte und 150 € netto für Sekretariat sei nicht überhöht, insbesondere angesichts:
      • des hohen Streitwerts (≈ 500.000 €),
      • der komplexen Verbindung von WEG- und Baurecht,
      • der bereits bestehenden Einarbeitung der Kanzlei,
      • der drohenden Verjährung.
    • Auch wenn Mehrkosten über den gesetzlichen Gebühren liegen, sei dies zulässig, solange die Eigentümer eine sachgerechte Abwägung von Kosten und Nutzen getroffen haben.
  3. Verfahrensrechtliche Einwände der Klägerin (z. B. unzureichende Information, unzulässige Tagesordnungspunkte) griffen nicht durch.

Fazit: Die Beschlüsse zu TOP 7d und 8 waren ordnungsmäßig und wirksam.

b) Zu TOP 6 – Genehmigung der Verwaltermaßnahmen

Das LG hatte die Genehmigung als „unzulässige Entlastung“ des Verwalters bewertet. Der BGH verwarf auch dies:

  1. Neue Rechtslage seit 2020 (WEG-Reform):
    • Der Verwalter besitzt gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 und 3 WEG Vertretungsmacht im Außenverhältnis.
    • Ein nachträglicher Beschluss ist daher nicht erforderlich, um die Wirksamkeit seiner Handlungen nach außen zu legitimieren.
    • Dennoch können Eigentümer nachträglich genehmigen, um im Innenverhältnis eine klare Rechts- und Finanzierungslage zu schaffen.
  2. Keine Gleichsetzung mit Entlastung:
    • Eine Genehmigung betrifft die Maßnahme, nicht zwingend die Haftung des Verwalters.
    • Nur wenn konkrete Anhaltspunkte für Schadensersatzansprüche bestehen, wäre eine Genehmigung ordnungswidrig.
    • Das bloße „Nichtausschließen“ möglicher Fehler reicht nicht aus, um eine Genehmigung zu kippen.
  3. Rechtmäßigkeit der Genehmigung:
    • Die Maßnahmen (Beauftragung von Gutachtern und Rechtsanwälten) entsprachen ordnungsmäßiger Verwaltung:
      • drohende Verjährung erforderte schnelles Handeln,
      • Gutachterkosten (≈ 10 % der Schadenssumme) waren angemessen,
      • Einholung von Alternativangeboten war weder praktisch sinnvoll noch vorgeschrieben.

Fazit: Die Genehmigung war sachlich gerechtfertigt und rechtmäßig.

c) Grundsätzliche Erwägungen des BGH

  • Eigentümer haben einen weiten Ermessensspielraum, insbesondere bei:
    • Auswahl von Dienstleistern,
    • wirtschaftlicher Abwägung von Kosten und Nutzen,
    • Beurteilung der Zweckmäßigkeit rechtlicher Schritte.
  • Alternativangebote sind nur dort notwendig, wo sie tatsächlich zur Transparenz und Vergleichbarkeit beitragen (z. B. Handwerkerleistungen).
  • Die nachträgliche Genehmigung von Verwaltungsmaßnahmen ist ein legitimes Instrument ordnungsmäßiger Verwaltung, um auch nachträglich Rechtssicherheit herzustellen.

4. Urteil

Der Bundesgerichtshof (V. Zivilsenat) entschied am 18. Juli 2025 (Az. V ZR 76/24):

  1. Revision erfolgreich:
    Das Urteil des Landgerichts München I vom 20. März 2024 wurde aufgehoben, soweit es zulasten der Beklagten (GdWE) ging.
  2. Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung:
    Die Anfechtungsklage der Klägerin wird vollständig abgewiesen.
  3. Kostenentscheidung:
    Die Klägerin trägt sämtliche Kosten der Berufungs- und Revisionsverfahren.
  4. Tenor (verkürzt):
    • Keine Pflicht zur Einholung von Alternativangeboten bei Beauftragung von Anwälten oder Gutachtern, auch nicht bei Honorarvereinbarungen.
    • Nachträgliche Genehmigung von Maßnahmen durch Eigentümer zulässig, sofern diese ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
    • Revision der Beklagten begründet, Berufungsurteil aufgehoben.

Bedeutung der Entscheidung

Dieses Urteil ist richtungsweisend für die Praxis des Wohnungseigentumsrechts:

  • Es schafft Rechtssicherheit für Verwalter und Eigentümer bei eilbedürftigen Maßnahmen.
  • Es entlastet Gemeinschaften von formalen Anforderungen wie der Einholung mehrerer Angebote bei anwaltlichen oder gutachterlichen Beauftragungen.
  • Es bestätigt den weiten Beurteilungsspielraum der Eigentümergemeinschaft und betont das Prinzip der praktischen Handhabbarkeit ordnungsmäßiger Verwaltung.

(https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=a610952f4e23de1b444742d5fb8bd73b&nr=142869&anz=1&pos=0&Blank=1.pdf)

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