Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Veräußerung vermieteter Wohnungen an eine GmbH & Co. KG nicht die Kündigungssperrfrist nach § 577a BGB auslöst. Die Sperrfrist beginnt in solchen Fällen erst mit der ersten Veräußerung nach Umwandlung in Wohnungseigentum – hier mit Eintragung der Kläger im Jahr 2017. Die im Jahr 2022 ausgesprochene Eigenbedarfskündigung war daher unwirksam.
1. Kernaussage des Urteils
Die zentrale Botschaft des Urteils lautet:
Eine GmbH & Co. KG oder andere Personenhandelsgesellschaften lösen keine Kündigungssperrfrist nach § 577a Abs. 1a BGB aus.
Der Schutzmechanismus des § 577a BGB – eine Sperrfrist, die Kündigungen wegen Eigenbedarf oder Verwertung zeitlich begrenzt ausschließt – greift erst dann, wenn die umgewandelte Wohnung tatsächlich an einen individuellen Erwerber verkauft wird.
Die frühere Übertragung eines gesamten Mietshauses an eine Personenhandelsgesellschaft ist insoweit neutral: Sie setzt die Sperrfrist nicht in Gang. Maßgeblich ist erst der Zeitpunkt, an dem die Wohnung, nach Umwandlung in Wohnungseigentum, an einen neuen Eigentümer – hier die Kläger – verkauft und im Grundbuch eingetragen wird.
Damit stellt der BGH klar: Das Risiko für Mieter, durch eine Eigenbedarfskündigung verdrängt zu werden, besteht bei einem Erwerb durch eine GmbH & Co. KG nicht in gleicher Weise wie bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder einer Miteigentümergemeinschaft. Nur für letztere wollte der Gesetzgeber mit § 577a Abs. 1a und 2a BGB einen besonderen Schutzmechanismus schaffen.
2. Tatbestand
Um den Fall zu verstehen, ist es hilfreich, die zeitliche Abfolge nachzuvollziehen:
- 2004 – Die Beklagten ziehen als Mieter in eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus in München ein.
- 2011/2012 – Eine GmbH & Co. KG kauft das gesamte Mietshaus.
- Sie ist damit die neue Eigentümerin, bleibt aber Vermieterin der Mieter.
- 2012/2013 – Das Haus wird nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) in einzelne Eigentumswohnungen aufgeteilt; Eintragung ins Grundbuch 2013.
- 2016 – Die GmbH & Co. KG verkauft die von den Beklagten bewohnte Wohnung an die Kläger.
- 2017 – Die Kläger werden als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
- 2022 – Die Kläger kündigen das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Kündigungstermin: 31. März 2023.
- Prozessverlauf:
- Amtsgericht München: gibt den Klägern Recht, Beklagte sollen räumen.
- Landgericht München I: hebt das Urteil auf, Kündigung ist unwirksam, da Sperrfrist läuft.
- Kläger legen Revision ein.
- BGH: weist die Revision zurück.
Streitpunkt:
Wann begann die Kündigungssperrfrist (§ 577a BGB)?
- Nach Ansicht der Kläger: bereits 2012 mit Erwerb durch die GmbH & Co. KG → Sperrfrist 2022 abgelaufen.
- Nach Ansicht der Beklagten und des Landgerichts: erst 2017 mit Erwerb durch die Kläger → Sperrfrist 2022 noch laufend.
3. Entscheidungsgründe
a) Hintergrund: Sinn und Zweck von § 577a BGB
§ 577a BGB ist eine mieterschützende Vorschrift.
Sie soll verhindern, dass Mieter nach Umwandlung ihrer Mietwohnungen in Eigentumswohnungen sofort durch Eigenbedarfskündigungen verdrängt werden.
- Grundfall: Wohnung wird in Eigentum umgewandelt und verkauft → Erwerber darf in den ersten drei Jahren (oder in manchen Städten zehn Jahre, so in München) nicht wegen Eigenbedarfs kündigen.
- Ziel: Zeitlicher Schutz der Mieter vor kurzfristiger Verdrängung nach Umwandlung.
Der Gesetzgeber hat später (§ 577a Abs. 1a, 2a BGB) diesen Schutz ausgeweitet, um bestimmte Umgehungsmodelle („Münchener Modell“) zu verhindern. Diese beruhten darauf, dass ein Haus zunächst von einer GbR oder einer Miteigentümergemeinschaft erworben wurde, die sofort Eigenbedarfskündigungen für ihre Mitglieder aussprechen konnte – noch bevor eine Umwandlung in Wohnungseigentum und Weiterverkäufe erfolgten.
b) Anwendbarkeit auf GmbH & Co. KG
Der BGH stellt klar:
Eine GmbH & Co. KG ist keine „Personengesellschaft“ im Sinne von § 577a Abs. 1a BGB.
Begründung:
- Eine GbR oder Miteigentümergemeinschaft kann Eigenbedarf ihrer Gesellschafter unmittelbar geltend machen.
- Eine GmbH & Co. KG oder OHG kann dies nicht, da juristisch die Gesellschaft selbst Eigentümer ist, nicht ihre Gesellschafter. Eine Eigenbedarfskündigung durch die Gesellschaft zugunsten einzelner Gesellschafter ist rechtlich ausgeschlossen.
- Daher besteht kein Verdrängungsrisiko für Mieter allein aufgrund des Erwerbs durch eine GmbH & Co. KG.
Folge:
- § 577a Abs. 1a und 2a BGB greifen nicht.
- Die Sperrfrist beginnt erst mit der erstmaligen Veräußerung nach Umwandlung → hier also mit Grundbucheintragung der Kläger 2017.
c) Die Rolle der Bayerischen Mieterschutzverordnung
Nach § 577a Abs. 2 BGB können Länder die Sperrfrist auf bis zu 10 Jahre verlängern.
Bayern hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Für München beträgt die Sperrfrist daher 10 Jahre.
→ Beginn: März 2017
→ Ende: März 2027
→ Kündigung 2022 war vor Ablauf der Sperrfrist und daher unwirksam.
d) Zurückweisung der Klägerargumente
Die Kläger beriefen sich darauf, dass § 577a Abs. 1a BGB allgemein von „Personengesellschaft“ spreche, was auch Handelsgesellschaften wie die GmbH & Co. KG erfassen müsse.
Der BGH verwarf dieses Argument:
- Wortlaut ist zwar offen, aber entscheidend ist die gesetzgeberische Intention.
- Ziel war nur der Schutz vor Eigenbedarfskündigungen durch Gesellschafter einer GbR oder Miteigentümergemeinschaft.
- Dieses Risiko gibt es bei einer GmbH & Co. KG nicht.
Damit stellt der BGH eine teleologische Reduktion des Gesetzes vor: Der Begriff „Personengesellschaft“ ist einzuschränken und umfasst nicht Handelsgesellschaften.
e) Rechtsdogmatische Klarstellung
Der BGH bestätigt außerdem:
- Die Kündigungssperrfrist dient ausschließlich dem Schutz vor Eigenbedarfskündigungen (und ergänzend auch vor Verwertungskündigungen), die sich aus einer Umwandlungssituation ergeben.
- Sie beginnt im Grundsatz erst mit der erstmaligen Veräußerung der in Wohnungseigentum umgewandelten Einheit.
- Nur in Sonderfällen (GbR, Miteigentümermehrheit) wird sie vorverlagert – aber nicht bei Personenhandelsgesellschaften.
4. Urteil
Der VIII. Zivilsenat des BGH entschied:
- Die Revision der Kläger wird zurückgewiesen.
- Die Beklagten müssen die Wohnung nicht räumen.
- Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung:
Es schafft Klarheit, dass eine GmbH & Co. KG (oder andere Personenhandelsgesellschaften) nicht unter die in § 577a Abs. 1a BGB genannten „Personengesellschaften“ fällt. Damit können solche Gesellschaften zwar ganze Mietshäuser erwerben, lösen aber keine Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen aus – diese beginnt erst mit späteren Einzelverkäufen nach Umwandlung in Wohnungseigentum.
Hinweis: Für diese Zusammenfassung wurde künstliche Intelligenz genutzt. Keine Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit oder Richtigkeit der hier veröffentlichten Inhalte. Jede Haftung wird ausgeschlossen.